15. August 2025
Umgang mit dem BFSG und dem European Accessibility Act
Autor: Michael Großklaus, Frontend Lead
Im Jahr 2019 hat die Europäische Union den European Accessibility Act (EAA) verabschiedet, der Anbieter bestimmter Websites und anderer Produkte verpflichtet, bis zum 28. Juni 2025 die Barrierefreiheit ihrer Websites und Produkte zu gewährleisten. In Deutschland wird diese gesetzliche Verordnung mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) umgesetzt. In diesem Beitrag möchten wir einige Fragen beantworten, die Sie als Betreiber einer Website möglicherweise haben, und etwas Licht ins Dunkel bringen.


Was ist das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)?
Das BFSG, das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, ist ein Gesetz in Deutschland, das darauf abzielt, die Anforderungen an die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen zu standardisieren. Es betrifft nicht nur Websites, sondern auch „Computer, Smartphones, E-Books und Fernseher sowie öffentliche Dienste wie Fernsehsendungen, Geldautomaten, Fahrkartenautomaten, öffentliche Verkehrsmittel, Bankdienstleistungen, […]“1. Auf europäischer Ebene wird die Direktive mit dem European Accessibility Act (EAA) umgesetzt.
Wir haben einen Blogbeitrag geschrieben, falls Sie mehr darüber erfahren möchten, warum dies wichtig ist und warum unzugängliche Websites mehr Menschen betreffen, als Sie vielleicht denken „Einführung in die digitale Barrierefreiheit”
Ist meine Website vom BFSG betroffen?
Grob gesagt: Wenn Ihre Website eine Dienstleistung anbietet oder Sie Produkte online verkaufen, sind Sie höchstwahrscheinlich betroffen. Wir können Ihnen jedoch keine Rechtsberatung geben – nur jemand, der zur Rechtsberatung befugt ist, kann und sollte Ihnen sagen, ob Sie vom BFSG betroffen sind.
Benötige ich ein Zertifikat?
Es ist nicht erforderlich, ein Zertifikat zu besitzen, das belegt, dass ihre Website barrierefrei ist. Der Erwerb eines ordnungsgemäßen Zertifikats erfordert jedoch in der Regel einen erheblichen Aufwand und detaillierte Tests. Das bedeutet, dass der Erhalt eines Zertifikats ein hohes Maß an Barrierefreiheit belegt und als starkes Zeichen für Ihr Engagement in dieser Angelegenheit gedeutet werden kann.
In Deutschland ist der sogenannte BITV-Test die gängigste und anerkannteste Methode, um ein solches Zertifikat zu erhalten.
Was sind die Anforderungen des BFSG?
Das BFSG erfordert, dass Ihre Website die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1 AA erfüllt. Es handelt sich dabei um eine komplexe Richtlinie, die manchmal etwas schwer zu verstehen ist. Vereinfacht gesagt lässt sie sich jedoch in drei Hauptsäulen unterteilen:
- Technische Umsetzung: Dies wird fast ausschließlich von den Entwicklern Ihrer Website übernommen und beschreibt, ob die Website technisch barrierefrei aufgebaut ist.
- Visuelles Design und Inhaltsarchitektur: Dies beschreibt, ob die Informationen auf einer Website barrierefrei strukturiert und dargestellt sind. Dazu gehören einfache Aspekte wie Farbkontraste, aber auch komplexere Themen wie alternative Möglichkeiten der Navigation durch den Inhalt (z. B. eine Suche zusätzlich zur Navigation). In der Regel kümmern sich UX- und UI-Designer darum.
- Inhalt: Hier wird es knifflig, da alle Inhalte, die zu Ihrer Website hinzugefügt werden, barrierefrei sein müssen, z. B. durch die Verwendung korrekter Überschriftenstrukturen, geeigneter Alternativtexte für Bilder usw. In den meisten Fällen liegt dies in Ihrer Verantwortung.
Was muss ich dafür tun, dass meine Website barrierefrei wird?
Wie Entwickler*innen gerne sagen: Es kommt darauf an. Leider wurde Barrierefreiheit lange Zeit von vielen vernachlässigt – von Website-Betreibern, aber auch von Agenturen, in der Entwicklung, im Design usw. Viele Websites sind daher in Bezug auf Barrierefreiheit in einem schlechten Zustand. Glücklicherweise hat das Bewusstsein für das Thema in den letzten Jahren zugenommen und die Situation verbessert sich langsam. Aber genauso wie Ihr Produkt und Ihr Geschäft individuell sind, können auch die potenziellen Probleme auf Ihrer Website individuell sein. Wir empfehlen auf jeden Fall, ein kurzes Audit durchführen zu lassen, um einen ersten Eindruck davon zu bekommen, wo die meisten Probleme liegen. Erst auf dieser Grundlage sollte ein Ansatz entwickelt werden, um Ihre Website barrierefrei gemäß des BFSG zu gestalten.
Wie viel kosten die Anpassungen?
Auch dies hängt stark von verschiedenen Faktoren ab.
- Wurde Ihre Website erst kürzlich erstellt (und daher vielleicht bereits etwas mehr Aufwand in die Barrierefreiheit gesteckt) oder liegt der letzte Relaunch bereits einige Zeit zurück?
- Handelt es sich um eine Applikation oder beispielsweise einen Online-Shop, der kaum individuelle, benutzerdefinierte Seiten hat, oder gibt es ein CMS dahinter, das Ihnen in der Content Redaktion viel Freiheit lässt?
- Wurde die Barrierefreiheit von allen Beteiligten von Anfang an berücksichtigt oder wurde sie (teilweise oder vollständig) ignoriert?
- Ist die Website eher statisch oder gibt es viele interaktive Komponenten auf der Website?
Es gibt eine Vielzahl an Faktoren, die die Kosten beeinflussen, nicht nur das Beheben der Probleme. Zuallererst müssen wir herausfinden, welche Probleme überhaupt existieren, was oft mehr Arbeit sein kann als die eigentliche Problemlösung.
Ich habe einen Bericht erhalten, in dem Hunderte von Fehlern aufgeführt sind!
Mit dem zunehmenden Bewusstsein für das BFSG bieten immer mehr Unternehmen günstige Beratung und Tests zur Einhaltung der Barrierefreiheit an. Leider fehlt es diesen Unternehmen oft an Fachwissen, und diese Berichte (die in der Regel automatisiert erstellt werden) können eine Menge Unsinn enthalten.
Barrierefreiheit ist ein komplexes Thema, und es richtig zu machen, ist mit gewissen Kosten verbunden. Wenn Ihnen jemand zu einem sehr niedrigen Preis anbietet, Ihnen zu sagen, was Sie tun müssen, seien Sie daher vorsichtig. Es wird sich mit ziemlicher Sicherheit in diesem Fall nicht um ein seriöses Angebot handeln.
Ich habe diesen Dienst gesehen, der meine Website barrierefrei machen kann. Sollte ich ihn nutzen?
Es gibt Unternehmen, die sogenannte „Accessibility-Overlays“ anbieten. Das sind Skripte, die Sie in Ihre Website einbinden können und die angeblich Ihre Website automatisch barrierefrei machen. Diese sind als sehr unseriös zu bewerten und sollten nicht benutzt werden. Es gibt jede Menge Artikel darüber, was das Problem mit diesen Overlays ist. Um es kurz zu machen: Automatisierte Tools können immer nur einen gewissen Teil der Probleme erkennen (ca. 20–30 %). Und das bedeutet nicht einmal, dass sie diese Probleme auch richtig beheben können. Barrierefreiheit ist ein sehr individuelles Thema, das auf Menschen abzielt und von Menschen behandelt werden muss.
BFSG-Compliance erreichen: Wie Factorial helfen kann
Barrierefreiheit war für Factorial schon immer ein wichtiges Thema, lange bevor das BFSG oder der EAA überhaupt die Aufmerksamkeit erhielt, die das Gesetz heute hat. Wir gehen alle unsere Projekte von Anfang an unter Berücksichtigung der Barrierefreiheit an und beziehen alle Beteiligten mit ein.
Wenn Sie Hilfe benötigen, um sicherzustellen, dass Ihre Website ausreichend barrierefrei gestaltet und entwickelt ist, helfen wir Ihnen gerne weiter. Dies reicht von einer schnellen bis hin zu einer sehr detaillierten Prüfung, der vollständigen Behebung aller Probleme und nach Wunsch auch dem Erhalt einer BITV-Zertifizierung. Wir vereinen viel Erfahrung im Bereich der digitalen Barrierefreiheit und haben unsere eigene Website bereits erfolgreich zertifizieren lassen.
Sprechen Sie uns gerne an und vereinbaren Sie einen kostenlosen Beratungstermin. Oder gehen Sie einen Schritt weiter und buchen einen Tages-Workshop, in dem wir Ihr Team an das Thema der Barrierefreiheit und die aktuelle Gesetzgebung heranführen.

Artur Schwarz
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